Stolpersteine am Faßbenderkaul
Am Faßbenderkaul wurden nun Steine verlegt für Josef Mangold und seine jüdische Frau Ella Mangold, geb. Nussbaum.
Josef Mangold studierte an den Kunstgewerbeschulen in Köln und Berlin und war Mitglied der Rheinischen Sezession, deren Ausstellungen in der Zeit des Nationalsozialismus verboten waren. Er wurde von den Nazis drangsaliert und starb 1938 in einem kölner Krankenhaus. Einige seiner Werke könnt Ihr auf www.artnet.de sehen.
Hier Erinnerungen von Frau Kertz, die das Ehepaar Mangold als Kind gut kannte:
Meine Eltern waren mit Ella und Josef Mangold eng befreundet. Ich erinnere mich an unsere gemeinsame Karnevalsfeier mit einer Polonaise durchs ganze Haus.
Wir Kinder (mein Bruder Ekkehard und ich) durften im Schlafanzug mitfeiern und mussten dann ins Bett.
Josef Mangold war Maler, und wir durften ihm öfter beim Arbeiten (im Faßbenderkaul und bei uns in Bayenthal) zusehen. Zum Beispiel beim Potrait meiner Mutter.
Da meine Eltern als Erste in der Straße ein Auto besaßen, nahmen sie Josef Mangold einmal mit bis nach Österreich. Dort arbeitete er. Anschließend nahmen sie ihn auch wieder mit nach Köln.
Die Mangolds ließen sich nie bewusst ihre Schwierigkeiten durch die NS Zeit anmerken.
1937 verstarb Josef Mangold.
Bei unserem letzten Treffen mit Ella Mangold in unserem Haus, wirkte sie verunsichert und ängstlich. Ihre Handtasche hielt sie vor ihrer Brust um den Judenstern zu verdecken. Sie teilte meinen Eltern mit, dass sie bereits ihren Termin zur Deportation erhalten hat. Ella Mangold verabschiedete sich mit der Bitte, auf das Selbstbildnis ihres verstorbenen Mannes acht zu geben, bis sie wieder zurück ist.
Wir wuchsen sehr behütet auf. Politische Themen wurden nie im Beisein von uns Kindern besprochen. Bis nach dem Krieg hing das Bild in der Diele unseres Hauses. Als uns klar wurde, dass Ella nicht zurück kommen würde, brachte mein Vater das Selbstbildnis von Josef Mangold ins Wallraf-Richartz-Museum. Derzeit befindet sich das Bild im Archiv vom Museum Ludwig.
Erst durch Recherchen habe ich vor kurzem erfahren, dass Ella Mangold / Geb.Nussbaum 1941 nach Lodz / Litzmannstadt deportiert wurde. Ermordet wurde sie dann in Chelmno / Kulmhof im Mai 1942.
Durch die Verlegung der Stolpersteine bleiben sie für unsere Familie in Erinnerung.
Stolpersteine am Markusplatz 24
Stolpersteine gegen das Vergessen sind eine wichtige Sache – und wir sind froh, dass wir als Verein mit einer Patenschaft gemeinsam mit Nachbarn aus dem Veedel dazu beitragen können, dass in Raderthal Steine zur Erinnerung an die Familie Kreuer gesetzt werden. Diese Stolpersteine sind die ersten in Raderthal.
Aber an wen wird damit erinnert?
Die Mutter, Else Kreuer, geb. Meyer, war die Tochter eines Pferdehändlers, der in der Thieboldsgasse eine Metzgerei unterhielt.
Der Vater der Familie, Karl Hermann Kreuer, betrieb als Kaufmann eine Großhandlung für chemische Produkte, Farben, Lacke und Öle.
Als Katholik wurde er wegen seiner Ehe mit einer Jüdin exkommuniziert.
Die Eltern achteten gegenseitig darauf, dass der andere die für eine Religion wichtigen Feste feiern und seine Pflichten erfüllen konnte.
Nach dem Tod des Vaters 1934 wurden die Kinder zu ihrem Schutz christlich getauft, Helmut ging zur Ersten Heiligen Kommunion und trat in die Katholische Jugend ein. Die Familie blieb am Markusplatz wohnen und Else führte das Geschäft ihres Mannes fort. Zunächst blieben sie von den Nationalsozialisten relativ unbehelligt.
Die älteste Schwester, Edith, heiratete und lebte mit ihrem Mann im Sauerland.
In einem dokumentierten Gespräch erzählte Helmut Kreuer über seine Erinnerungen an die Nazizeit, in dem er vom Leben in Köln und von der Flucht.
Helmut besuchte die katholische Schule in der Brühler Straße und die Mittelschule Trierer Straße. Im Anschluss machte er eine Ausbildung zum Schlosser und arbeitete bis zu seiner Flucht 1944 im Betrieb eines Bekannten in der Dürener Straße.
Auch als die katholische Jugend bereits verboten war, konnte er sich im Keller von St. Mariä Empfängnis mit Freunden treffen. Der Pfarrer warnte sie vor Kontrollen. Auch ein Lehrer und sogar ein Ortsvorsteher der SA mit Station in der Markusstraße schützten ihn und seine Familie in brenzligen Situationen.
Über einen christlich getauften Jungen, Karl Kreter, bekamen sie Kontakt zu Menschen in der Nähe der Grenze zur Schweiz von wo dessen Familie stammte. Als Karl im Krankenhaus lag, verhafteten die Nazis seine jüdische Mutter und deportierten sie nach Theresienstadt. Da sie als Jüdin ohne den Jungen allein zuhause war, war das “rechtens”. Karl ging zurück nach Süddeutschland. So konnten Kreuers während eines Urlaubes die Gegend auskundschaften.
1944 wurde es für die Familie in Köln zu gefährlich. Helmut wurde zum Arbeitsdienst eingezogen. In dieser Zeit verließen die Mutter und die Schwester die Stadt und hinterließen ihm wie vereinbart einen Brief mit der Nachricht, dass sie nicht mehr leben wollten, um ihn zu informieren, dass sie sich auf den Weg in die Schweiz gemacht hatten.
Als er nach Haus kam, hatte das Haus gebrannt. Der SA-Mann, bei dem er den Schaden melden wollte, befahl ihm, sich am nächsten Tag in Müngersdorf zu melden. Von dort erfolgten die Deportationen. Deshalb verließ Helmut sofort ebenfalls die Stadt in Richtung Treffpunkt.
Fahrkarten durften immer nur für 100km gelöst werden. Auf der Reise hinter Mutter und Schwester her verpasste Helmut sie an mehreren Stationen und geriet in Rheinfelden in Polizeigewahrsam. Nur indem er eine Geschichte erzählte, dass er in einem wichtigen Rüstungsbetrieb arbeite und nichts weiter darüber sagen dürfe, und aufgrund der Tatsache, dass Köln schwer beschädigt war und keine telefonischen Rückfragen möglich waren, wurde er frei gelassen. Im Zug entging er nur mit viel Glück einer Passkontrolle, die das Ende der Flucht bedeutet hätte.
Mit beeindruckender Hilfe fremder Menschen schaffte es die Familie am 05. Dezember 1944 zu Fuß über die Grenze. Helmut kam zur Arbeit in ein Internierungslager, in dem er auch das Kriegsende erlebt hat. Mutter und Schwester durfte er alle sechs Wochen besuchen. Als das Lager geschlossen wurde, kam er nach Zürich und erhielt eine Arbeitserlaubnis und war als Busfahrer tätig. Er starb 2012, seine Schwester Beate 2014.
Beate erinnert sich 2003 in einem Brief an Nachbarn vom Markusplatz:
“So habe ich den Markusplatz in Erinnerung, mit den vier Lindenbäumen, mit dem Sandkasten, wo Renate Ludwig und ich mit den Puppen gespielt haben. Wo wir erstaunt dem Orgelmann mit seinem Tanzbär zugeschaut haben. Der Dreiradfahrer mit seinem Kasten wo er Butter, Eier und Käse mitführte oder wenn der Lumpenmann kam mit seiner Schelle und sang „Lumpen, Flaschen, Eisen und Papier, alles sammeln wir.“ Noch oft erzähle ich meinen Enkelkindern die Jugendzeit auf dem Markusplatz wo auch die Kiesgrube für uns Jugendliche interessant war.
In Raderthal ging ich zur Schule und in der kath. Kirche in Raderberg zur Kommunion.
Als Hitler an die Macht kam, wurde alles anders. Doch die Bewohner vom Markuplatz blieben die gleichen. Sie grüßten meine Mutter, obwohl sie Jüdin war. Nur eine Person, deren Namen ich nie vergessen werde, tat uns viel Leid an. September 1944 war es soweit, dass meine Mutter und ich uns nur noch durch die Flucht in die Schweiz retten konnten. Mit nur einer Tasche und allen Ausweispapieren sind wir in der Nach durch den Garten bis zum Leichweg gelaufen. Dort nahmen Mutter und ich Abschied vom Elternhaus Nr. 24. Wir mussten alles zurücklassen, was uns lieb war. Nur die Erinnerungen nahmen wir mit auf unserer Flucht.
Für mich hat der Markusplatz heute ein anderes Gesicht. Er ist klein geworden durch die vielen Autos. Die Lindenbäume, was davon geblieben ist, sehen traurig aus. Und ob sich jemand noch an Beate, Edith und Helmut uns meiner tapferen Mutter erinnert ist fraglich. Es werden junge Leute auf dem Markusplatz wohnen, die wie ich lesen kann, einmal im Jahr zusammen kommen, plaudern, lachen und kölsche Töne.
In meiner Freude über das Bild musste ich Ihnen einfach schreiben, obwohl ich schon so viele Jahre in der Schweiz lebe, bleibt Köln und der Markusplatz meine Heimat.”
Tatsächlich besteht bis heute Kontakt zwischen den Nachbarn am Markusplatz und Nachfahren der Kreuers; und mit den Stolpersteinen wird die Nachbarschaft das Andenken sicher bewahren.
Wir freuen uns, dass wir einen Beitrag leisten können, dass nicht in Vergessenheit gerät, was damals geschah, und wie wichtig es ist, auch im eigenen Veedel ein Zeichen für Toleranz und Miteinander zu setzen.
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